Pannentour: Kroatien-Rückkehr mit Abschlepper und literweise Kühlmittel
2020 läuft nicht rund! Die Neuinfektionszahlen der Pandemie lassen Reisen bekanntlich nicht in gewohnter Art und Weise planen. Dass mich nun aber auch noch mein treuer Begleiter, der fahrbare Untersatz, im Stich lässt, war nicht eingeplant.
Aus diesem Grund gibt es heute auf Globushopper statt heißen Ideen für Slawonien (Osten Kroatiens) zunächst einmal einen Pannenbericht, der sich gewaschen hat. Die Nerven lagen nicht nur einmal am Boden!
Von der Reiselust zur Panik vor dem Kühlmittellämpchen
Endlich wieder Ausland! Zugegeben, natürlich durfte ich mein Herz bereits wieder mit zwei Ausfahrten in das Lieblingsland Tschechien beglücken, doch irgendwie geht der verträumte Nachbarstaat südöstlich von Chemnitz eher als zweite Heimat durch.
Als mein Chef aber erstmals seit Februar meine physische Anwesenheit im Büro in Wien wünschte, machte das zuletzt ins Stottern geratene Reiseherz einen kleinen Freudensprung. Da waren sie wieder, die kleinen innerlichen Stimmen, die im Chor riefen: „Fahr weiter nach Ost-Kroatien, da warst Du noch nie! Aus Wien brauchst Du kaum mehr als vier Stunden, was überlegst Du eigentlich noch?“ Da ich Kroatien auch abseits der Adria seit dem Zagreb-Städtetrip ins Herz geschlossen habe, war die Entscheidung schnell gefallen.
Wenn ich auf die vergangenen Tage zurückblicke, dann würde ich mir wünschen, die insgesamt fast 60-stündige Pannentournee hätte auch mal ein kleines Stimmchen angekündigt. Sei es drum, hier kommt der Pannenbericht aus Kroatien!
Wenn die Warnlampe erstmals bimmelt…
Vergesst das kalte Deutschland mit Temperaturen nur knapp über 20 Grad Anfang Juli! In Slawonien fühlte ich mich am späten Samstagnachmittag, bei noch immer 37 Grad im Schatten, als hätte ich einen Langstreckenflug in die Wüste unternommen. Die Klimaanlage des fahrbaren Untersatzes hatte längst gegenüber den Hitzestößen kapituliert.
Die Schweißperlen auf der Stirn waren aber in Anbetracht der Reiseerlebnisse des unweit gelegenen Nationalparks sowie den im Jugoslawien-Krieg zerstörten Städten Osijek und Vukovar nebensächlich. Endlich wieder auf Achse, endlich wieder das Fernweh stillen – bis, mit einem lautem Piepton, sich erstmals das Kühlmittellämpchen meldete.
Nun sei erwähnt, dass mein Kenntnisstand über Autos sich ungefähr auf der Höhe des Kumpels von Comedian Felix Lobrecht bewegt, welcher laut eines Gags nicht einmal die Farbe seines Wagens benennen kann.
Da die rote Warnleuchte aber nach einer kurzen Pause den Dienst für den Tag ebenso wie meine Wenigkeit beendete, schlief ich seelenruhig in der folgenden Nacht – nicht ahnend, dass mich die Pannenfahrt noch über Tage in Atem halten sollte.
Corona zerstört Existenzen: Allein in der Traum-Unterkunft
Ruhe war sowieso das passende Stichwort, denn den Zuschlag erhielt eine bei Booking.com mit einem Rating von 9,8 / 10 quasi perfekt bewertete Unterkunft, in welcher ich trotzdem der einzige Gast war. Die Chefin klagte mir ihr Leid, dass Corona ihr finanziell den Boden unter den Füßen wegzieht und dankte mehrfach für meine Buchung.
Travel Fails – Meine größten Reisepannen!
Es stellt sich schon die Frage, wie hochprozentig vom Tourismus lebende Staaten diese Krise überstehen sollen. Nicht umsonst wirbt Kroatien derzeit mit wehenden Fahnen um Urlauber, obwohl ausgerechnet der Großraum des ehemaligen Jugoslawiens sich zum neuen Corona-Hotspot in Europa zu entwickeln droht.
Außer Gefecht – gestrandet in Virovitica
Am Sonntagmorgen stand das nächste Erholungsgebiet auf dem Plan! Im Nationalpark Papuk kletterte ich auf unbeschwert auf der Ruine der alten Burg Ruzica und genoss eine Wanderung zum Wasserfall sowie einem herrlich schimmernden See in Janowiec. Doch die Ruhe war trügerisch!
Einmal den Zündschlüssel nach rechts und plötzlich starrte mich wieder das Kühlmittellämpchen an. Im Gegensatz zum Vortag war nun tatsächlich etwas wenig Flüssigkeit im Tank, was ich mit einigen Milliliter Wasser kaschierte, die das Lämpchen beruhigten.
Leider aber nur für rund 40 Kilometer, sodass die Sorgen endgültig wuchsen. Ich schleppte mich in die Kleinstadt Virovitica, um dort ganz zufällig – Hust! – an einem „Auto-Servis“ stehenzubleiben.
Nächstenliebe auf kroatisch: Umsorgt von der guten Seele der Familie
Der Wochentag meinte es natürlich nicht gut mit mir und auch der Chef war nicht im Haus. Die Ferndiagnose am Telefon ergab keine schnelle Lösung, sodass ich ARAG um den Abschleppdienst bat, als ein sich zum Autoexperten erklärter anderer Zeitgenosse Öl im Kühlmittel vermutete.
Anfangs waren von einer befreundeten Familie der Anwohner aus Deutschland noch die Kids anwesend, die mich neugierig hinsichtlich des Autos und meines Kroatien-Urlaubs ausquetschten. Als das Rahmenprogramm spannender wurde, blieb ich mit der guten Seele des Hauses, die ungünstigerweise weder der englischen noch deutschen Sprache mächtig war, auf der Terrasse sitzen.
Torte und Bier – das rate ich dir?
Dankbarkeit war das passende Stichwort dafür, wie beide Familien auf meine Panne reagierten. Die gute Seele des Hauses setzte nun aber gefühlt minütlich ein neues Highlight. So kam ich in den Genuss kroatischen Gebäcks, erhielt ein leckeres Stück Torte und – auch wenn es nur begrenzt passte – ein Bier in die Hand gedrückt.
Als sie das sich mit der Zeit einsetzende Schweigen nicht mehr ertrug, wurde ich durch den großartigen Garten im Hinterhof geführt, begutachtete die zahlreichen Sonnenblumen und durfte manch Frucht zwischen die Lippen schieben.
Fatale Fehlurteile
Der Abschleppdienst ließ weiter auf sich warten, ganz im Gegenteil zum Chef des „Auto-Servis“, der kurz nach seiner Rückkehr geschwind unter die Motorhaube blickte, nochmals Wasser auffüllte und eine Spritztour machte. Alles sei in Ordnung, kein Öl im Kühlmittel und das Warnlämpchen sowieso bereits wieder aus.
Ungünstigerweise ließ ich mich Minuten später von seiner Wenigkeit und dem Abschleppdienst dazu überreden, die nächsten 50 Kilometer vor dem Abschlepper herzufahren, der mich tatsächlich stolze 80 Kilometer zur nächsten VW-Werkstatt geschleppt hätte.
Die Abmachung war eindeutig: Wenn bis dahin keine Probleme auftauchen, trennen wir uns und betrachten das Problem als gelöst. Ungünstig deshalb, weil 50 Kilometer nichts passierte. Und, weil nach einem kurzen Stopp in Koprivnica der zarte Golf in das alte Wehklagen verfiel.
Frust in Düsseldorf bei ARAG
Etwa 750 Kilometer hatte ich vor der Brust bis Chemnitz, doch statt dem schnorrenden Motor klingelte wieder das Telefon in Düsseldorf bei der ARAG-Zentrale. Am anderen Ende des Apparats war diesmal eine Service-Mitarbeiterin, die in Anbetracht der Lösung ohne echte Werkstatt vor etwa sieben Stunden genervt reagierte und mir nicht völlig zu Unrecht eine private Übernahme einer erneuten Abschleppwagens in Aussicht stellte.
Wir vereinbarten, dass ich in Anbetracht der sich nahenden Geisterstunde zunächst ein Hotel aufsuche und mich am nächsten Morgen abschleppen lasse.
Das Frühstück am Ende einer eher unruhigen Nacht war eigentlich liebevoll, fühlte sich aber wie die Henkersmahlzeit an. Gleich sollte das Auto in die Werkstatt gefahren werden. Die mögliche Höhe des Schadens ließ das Ei im Halse steckenbleiben. Zumindest wartete ich heute keine zwei Stunden und aus 80 Kilometern zur nächsten Werkstatt wurde ein Viertel der Distanz.
Vernichtendes Urteil: In Sekunden zum wirtschaftlichen Totalschaden
Und dann sitzt man da in der VW-Werkstatt. Zunächst zwei Stündchen, bis sich überhaupt jemand für das Auto interessiert. Anschließend ähnlich lange für die Fehlersuche. Als mich der eigentlich nette Mitarbeiter jedoch an den Tisch winkte und mitteilte, dass der Zylinderkopf kaputt sei und allein Materialkosten von über 21.000 Kuna (knapp 3.000€) entstehen würden, ging der Kopf in Richtung Tischplatte. Fünf Tage würde die Reparatur dauern, 4.000€ Kosten entstehen.
Größtes Problem: da die Reparaturkosten knapp den Wert des Wagens überschritten, sorgt ARAG auch nicht mehr für den kostenfreien Rücktransport nach Deutschland. Da 2018 ein ähnlicher Defekt schon einmal Summen in hohen Größenordnungen erzeugte, glaubte ich zudem daran, in der gleichen Werkstatt in Chemnitz noch manch Forderung stellen zu können.
Trotz zerstörtem Zylinderkopf zurück nach Deutschland?
Der Entschluss stand fest: irgendwie muss die Karre zurück nach Deutschland. In Kroatien hätte ich kein Geld mehr dafür erhalten. Ein Werkstattmitarbeiter meinte, dass ich es mit einer Menge Wasser als Kühlmittel im Gepäck wohl bis Deutschland schaffen würde.
Ein Stoßgebet gen Himmel und dann ging der Ritt los. Stolze 250 Kilometer auf dem kürzesten Weg in Richtung Heimat schaffte ich nach der notdürftigen Reparatur seitens der Werkstatt bis vor die Tore Wiens. Gegen 17 Uhr zitterte ich grenzenlos im Stau des Wiener Rings vor der Warnleuchte, die sich glücklicherweise aber erst Minuten später einschaltete.
Abgewiesen in der Not wie Maria & Josef
110 Kilometer verrichtete der Motor seinen Dienst mit dem ersten kräftigen Schluck kroatischen Leitungswassers. Ab sofort wurde mein Golf jedoch immer gefräßiger. Nur noch 50 Kilometer und doppelt 20 ging es fortan der Heimat entgegen, bevor ich frustriert eine weitere Not-Übernachtung wählte. Es passte ins Bild, dass die kurz zuvor online gebuchte Unterkunft mich an der Klingel mit den Worten „Wir arbeiten heute nicht mehr“ trotz gültiger Check-In-Zeiten vor der Türe stehen ließ. Dreifach betätigte ich noch die Klingel, doch niemand reagierte mehr. Danke für Nichts! Die Klärung mit Booking.com steht noch aus.
Drei Kilometer entfernt fand ich – im Gegensatz zur biblischen Weihnachtsgeschichte – keinen Platz im Stall, sondern vielmehr ein sehr ordentliches Hotel in anderer Preislage. Sei es drum, endlich schlafen und dem Motor des Golfes etwas Ruhe gönnen.
Logischerweise wurden nebenher bereits einige Abschlepppläne gesponnen. Fest stand nur, dass ich keinesfalls nochmal ARAG involvieren wollte, die mir wohl endgültig aufs Dach gestiegen wären.
Rettung naht – die letzten Kilometer auf dem Abschleppwagen
Der nächste Morgen ist schnell erzählt: 45 Kilometer gingen mit dem ersten Happen Wasser. Anschließend waren es nur mehr 25 und dann sogar 15. Zuletzt fraß der Motor gefühlt mehr Wasser als Diesel (und nein, ein Leck gab es nicht!) Mit Müh‘ und Not schleppte ich mich an das südliche Ende von Prag, von wo aus mein Vater mich mit einem privat gemieteten Abschleppwagen Stunden später abholte.
Ich saß zuvor noch in einem Restaurant, welches einer besseren Kantine entsprach, arbeitete manch Stündchen am Laptop und genoss Böhmische Knödel mit Gulasch.
Zeitgleich fiel eine Menge Anspannung ab, da die alte Möhre nur noch auf den Abschlepper bewegt werden musste. Die acht Kilometer lange Baustellendurchfahrt ohne jegliche Einbuchtung für liegengebliebene Fahrzeuge hatte mir zuvor endgültig jeden Nerv geraubt.
Es ist schon herrlich, wenn dann der Papa um die Ecke biegt und man weiß, dass die Odyssee ein Ende hat. Fast drei Tage nach der ersten Reaktion der Warnleuchte und etwa 50 Stunden nach dem kleinen Abenteuer in Virovitica bei der hilfsbereiten Familie erreichten wir das Ortseingangsschild in Chemnitz.
Meine Bucket List für Reiseziele, Wünsche & Erinnerungen
Dankbarkeit statt Groll
Die Zukunft des Autos ist ungewiss, der Blick auf die Vergangenheit aber eindeutig! Es überwiegt eine Menge Dankbarkeit. Beispielsweise für den guten Rat des VW-Mitarbeiters, es doch mit dem Heimweg zu versuchen, der Hilfsbereitschaft meiner Eltern und der Pannenverpflegung mit Bier und Torte im tiefsten Slawonien.
Schlussendlich aber auch dafür, dass ich nach zehn Jahren mit unzähligen Kilometern erstmals eine solche Geschichte zu Papier bringen konnte beziehungsweise musste und damit unfassbar viel Bewahrung erlebte, auch wenn es nach dem Corona-Reiseabbruch in Argentinien bereits das zweite Missgeschick des Jahres war.
Das Reisefieber wird gewiss nicht geheilt. Tatsächlich ertappte ich mich bereits am Folgetag in Chemnitz bei der Planung neuer Touren im Hinterköpfchen. Ich werde es nie lernen…